Statement zum 8. März in Stuttgart

Aus aktuellem Anlass – mehr findet sich in den Artikeln der Stuttgarter Zeitung dazu – möchten wir unsere Sicht auf die Ereignissen am 8. März während der Demonstration zum Frauenkampftag mitteilen:


1.) Nach den Festnahmen wurden wir direkt zu der am Boden liegenden Demonstrantin durchgelassen um diese kurz zu untersuchen.


2.) Als es der Patientin schlechter ging, ließ uns die Polizei erst nach kurzer Diskussion erneut zu der festgenommen Patientin durch, baute sofort einen großen Zeitdruck auf und setzte uns ein 5-Minuten-Fenster für die Behandlung. Nach Ende der Behandlung wurde unser Team rausgeführt. Auf die Bitte geholt zu werden, wenn es der Patientin schlechter gehe, wurde geantwortet, dass man dies „in Erwägung ziehe“ und man stattdessen ggf. den öffentlichen Rettungsdienst hole. Unser Team bestand aus einer Notfallsanitäterin und einem Notarzt. Wir kritisieren den unnötigen Zeitdruck. Während einer medizinischen Behandlung bestimmt selbstverständlich alleine die höchstausgebildete medizinische Einsatzkraft, wann diese beendet ist. Ebenso ist es nicht akzeptabel einen anwesenden, in dem Fall auch noch hoch ausgebildeten Sanitätsdienst im Falle eines medizinischen Notfalls ggf. nicht hinzuziehen zu wollen.


3.) Wir hatten außerdem darum gebeten aufgrund des medizinischen Zustands die weitere Abarbeitung kurz zu halten. Diese dauerte trotzdem ca. 2 Stunden. Nachdem wir dies jedoch erneut angesprochen hatten und unsere Bedenken über den medizinischen Zustand zum Ausdruck gebracht hatten, wurde die Patientin innerhalb weniger Minuten aus dem Gewahrsam entlassen.


4.) Nach dem Kollaps der Patientin nach ihrer Entlassung aus dem Gewahrsam wurde der Bereich um die Patientin unnötigerweise umgehend von der Polizei abgeriegelt. Dadurch war es Freund*innen der Person nicht möglich zu ihr zu gelangen, was zu einer weiteren Eskalation beitrug, die nicht förderlich für die Behandlungsmaßnahmen war. Generell können Angehörige und Bekannte medizinische Maßnahmen oft gut unterstützen, indem sie z.B. Informationen weiter geben oder die Patient*in beruhigen. Die Polizei unterstützte uns jedoch aktiv bei der notwendigen Behandlung, bis die Übergabe an den öffentlichen Rettungsdienst erfolgt war.

Artikel der Stuttgarter Zeitung, auf die sich unser Statement bezieht:

Kritik an massivem Polizeieinsatz bei Kundgebung

Wie reagiert die Polizei auf die Kritik?


Heraus zum 8. März – Einsätze in 3 Städten

Seit 1921 setzen Frauen auf der ganzen Welt am 8. März ein Zeichen für Gleichberechtig und gegen patriarchale Diskiminierung. Der internationale Frauenkampftag geht zurück auf einen Vorschlag Clara Zetkins auf der internationalen Konferenz sozialistischer Frauen 1910. Sie griff damit eine Idee aus dem USA auf, wo bereits im Jahr zuvor ein Kampftag für Frauenstimmrecht stattgefunden hatte. In den Folgejahren wechselte mehrmals das Datum, bevor man sich auf einer internationalen Konferenz kommunistischer Frauen 1921 auf den 8. März einigte, dem Tag an dem ein Streik von Textilarbeiterinnen 1857 in New York überliefert, aber nicht eindeutig belegt ist. Vor allem waren am 8. März 1917 (23. Februar nach julianimschem Kalender) jedoch die Frauen in Petrograd auf die Straße gegangen und hatte so die Februarrevolution in Russland ausgelöst. Seit den Anfängen des 8. März wurde viel erkämpft: das Frauenwahlrecht, Arbeitsrecht ohne Zustimmung des Ehemanns, Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe und vieles mehr. Und doch bleiben viele Themen, die dem Tag auch heute noch seine Berechtigung geben: zum Beispiel die Genderpaygap, Care-Arbeit, Gewalt an Frauen, die Illegalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, die Doppeldiskriminierung queerer Personen und BIPOCs, sowie nicht zuletzt eine erstarkende Rechte, die viele Errungenschaften wieder rückgängig machen will. Und so gingen auch heute wieder in ganz Deutschland und weltweit Frauen, FLINTA und Queere gemeinsam mit solidarischen Männern auf die Straße um diesen Themen Gehör zu verschaffen.

Als Sanitätsgruppe Süd-West e.V. begleiteten wir die Demonstrationen zum 8. März in Stuttgart, Karlsruhe und Tübingen. In Stuttgart beteiligten sich rund 5000 Teilnehmer*innen an der Demonstration. Es kam zu kleineren Auseinandersetzungen mit der Polizei und einzelnen Festnahmen. Eine Person musste in Stuttgart durch uns behandelt und an den öffentlichen Rettungsdienst übergeben werden. Im Karlsruhe und Tübingen beteiligten sich jeweils ca. 1700 Personen an den Demonstrationen. Wir hatten eine Behandlung in Tübingen. Im Karlsruhe mussten wir niemanden versorgen. Wir wünschen allen Patient*innen eine gute Genesung und bedanken uns beim DRK-Rettungsdienst für die gute Zusammenarbeit.

(Quelle Titelbild und Bild 1, 3, 4 aus Tübingen: Luca Engelhard)

Bilder aus Stuttgart:

Bilder aus Karlsruhe:

Bilder aus Tübingen:

In eigener Sache: