Pressemitteilung Nr. 32 – Massive Polizeigewalt gegen 1. Mai Demonstrationen in Stuttgart

+++ 94 Verletzte, hauptsächlich durch Polizei, massiver Pfeffersprayeinsatz +++

Stuttgart, den 1. Mai 2023, Die Sanitätsgruppe Süd-West e.V. sicherte am heutigen Tag der Arbeit u.a. den antikapitalistischen Block auf der Demonstration des Deutschen Gewerkschaftbunds und im Anschluss die revolutionäre 1. Mai Demonstration in Stuttgart sanitätsdienstlich ab.

Bereits zu Beginn der DGB-Demonstration am Marienplatz war ein massives Polizeiaufgebot vor Ort. Im Verlauf wurde der antikampitalistische Block plötzlich ohne erkennbaren Grund vorübergehend durch die Polizei am Weiterlaufen gehindert und kurz darauf mit Pfefferspray angegriffen, sodass wir eine zweistellige Zahl an Patient*innen behandeln mussten. (28x Pfefferspray, 1x chirurgisch)

Die revolutionäre 1. Mai-Demonstration sollte im Anschluss vom Schlossplatz aus nach Heslach laufen. Noch während der Auftaktkundgebung stellte sich die Polizei jedoch auf der geplanten Demonstrationsroute auf, um die Demonstration mit wechselnden Begründungen am Loslaufen zu hindern. Beispielsweise kritisierte Polizei die Transparentlängen von teilweise über 1,5 Metern, sowie das Tragen eines medizinischen Mundschutzes durch Einzelne, was sie als Vermummung wertete. Nachdem die Polizei auch nach einer längeren Wartezeit den Demonstrierenden ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verweigerte, setzte sich die Demonstration trotzdem in Bewegung. Es folgten mehrere heftige Angriffe der Polizei auf die friedliche Demonstration. Dabei wurden zahlreiche Demonstrierende, vor allem durch Pfefferspray, verletzt (38x Pfefferspray, 5x chirurgisch, 1x internistisch, 4x psychisch | 1x Krankenhausbehandlung notwendig). Aufgrund des massiven Gewalteinsatzes der Polizei, musste die Demonstration am Karlsplatz nur wenige Meter von der Auftaktkundgebung entfernt für beendet erklärt werden.

Bei der Ankunft vieler Demonstrierender am 1. Mai Fest am Linken Zentrum Lilo Herrmann in Stuttgart-Heslach ereignete sich kurz darauf der dritte unerfreuliche Vorfall. Auch hier tauchte die Polizei mit einem Großaufgebot auf und griff unerwartet Teilnehmer*innen an. Es kam erneut zu einem Pfeffersprayeinsatz. (16 Pfefferspray, 1x internistisch)

Die Sanitätsgruppe Süd-West e.V. ist sprachlos angesichts des eskalativen Vorgehens der Polizei und der massiven Gewalt, die von den Polizeieinsatzkräften gegen friedliche Demonstrant*innen eingesetzt wurde. Im Sinne einer Prävention künftiger Ereignisse dieser Art mit vielen Verletzten kritisieren wir das Verhalten der Polizei scharf und fordern sie auf zukünftig die Grundrechte von Demonstrierenden zu wahren.

Gesamtzahlen:
– 82x Pfefferspray
– 6x chirurgisch
– 4x psychisch
– 2x internistisch
Insgesamt 94 Behandlungen.

(Eine Krankenhausbehandlung war notwendig. Von einer Dunkelziffer ist auszugehen.)


1 Jahr Polizeigewalt in Ingelheim

Anlässlich des ersten Jahrestags der bundesweit in die Kritik geratenen Gewalt der Polizei gegen Antifaschist*innen in Ingelheim fand heute an selber Stelle eine Demonstration gegen Polizeigewalt statt. Wie bereits vor einem Jahr, waren auch wir heute wieder in Ingelheim dabei, um die Proteste notfallmedizinisch abzusichern. Wir freuen uns, dass wir heute nur wenig zu tun hatten. Am Ende zählten wir lediglich 3 kleinere Versorgungen.

Hintergrund:
Vor einem Jahr sicherten wir die Proteste gegen eine Nazi-Kundgebung in Ingelheim am Rhein ab. Dabei mussten wir vorwiegend aufgrund von Polizeimaßnahmen 116 Verletzte versorgen. Sofort nach der Ankunft wurden die Gegendemonstrant*innen zunächst in einer Unterführung am Bahnhof zusammengedrängt und später in der Nähe über Stunden eingekesselt. Über den Tag hinweg kam es immer wieder zum Einsatz von Pfefferspray und Schlagstock gegen die zusammengedrängten Demonstrierenden. Auch unsere Verletztenablage wurde von der Polizei überrannt. Abstände und das Tragen von Masken (diesen waren teils durch Pfefferspray getränkt) konnten nicht eingehalten werden. Die Polizeimaßnahmen lösten einige Panikattacken unter den Betroffenen aus. Im Anschluss wurde in der überregionalen Presse erhebliche Kritik an dem Vorgehen der Polizei laut.

Mehr dazu in unserer damaligen Pressemitteilung Nr. 28:


Ingelheim – Keine unverhältnismäßige Polizeigewalt?

Medienberichten zu Folge ist die interne Aufarbeitung der Polizei zum Einsatz in Ingelheim am 15. August 2020 mittlerweile abgeschlossen. Dabei kommt die Polizei bei ihren Ermittlungen gegen sich selbst zu dem für uns nicht nachvollziehbaren Ergebnis, dass es keinen unverhältnismäßigen Gewalteinsatz gegeben habe. Mehrere Verfahren gegen Polizeibeamt*innen wurden eingestellt. Wir finden: 116 Verletzte und die Bedrohung von Sanitätskräften ohne ersichtlichen Grund sind unverhältnismäßig und nicht aktzeptabel. Im Folgenden nochmals unsere Pressemitteilung zum Vorfall:


Einsatz in Pforzheim beendet / Verletztenzahlen

Der anstrengende Einsatz in Pforzheim ist vorbei! Unsere Sanitäter*innen machen sich nun auf den Rückweg.

Heute mussten wir insgesamt 17 Patient*innen behandeln, davon 15 aufgrund mehrfachen Pfeffersprayeinsatzes der Polizei. Es ist von einer sehr hohen Dunkelziffer auszugehen, da sich viele Betroffene selbst oder gegenseitig geholfen haben. Eine weitere Person musste nach Schlagstockeinsatz der Polizei mit mehreren Verletzungen behandelt werden (Weiterbehandlung im Krankenhaus).

Wir wünschen allen dir heute verletzt wurden eine gute Besserung! Kommt alle gut nach Hause!

Update:

Laut einem Bericht von PZ News (s.u.), dementierte der Polizeisprecher die Weiterbehandlung eines Patienten im Krankenhaus. Auf welcher Informationsgrundlage solche Aussagen getroffen werden ist uns schleierhaft!

https://www.pz-news.de/pforzheim_artikel,-Demo-am-Wartberg-Polizei-gesteht-Einsatz-von-Schlagstoecken-_arid,1417042.html


Pressemitteilung Nr. 26 – Stuttgart: Verletzte bei Wohnraumdemonstration und Hausbesetzung

+++ 4000 DemonstrantInnen bei Wohnraum-Großdemonstration, 55 PatientInnen, massiver Pfeffersprayeinsatz, Hausbesetzung +++

Stuttgart den 6. April 2019, Heute sicherte eines unserer Teams die Wohnraum-Großdemonstration in Stuttgart ab. 4000 Menschen (Veranstalterangabe) beteiligten sich an der bunten und vielfältigen Demonstration, die vom Stuttgarter Schlossplatz zum Marienplatz führte. Während und nach der Demonstration kam es zu teils massivem Pfeffersprayeinsatz durch die Polizei, bei dem über 50 Personen verletzt wurden.

Peer Vlatten, Rettungsassistent und Einsatzleiter am heutigen Tag schätzt die Situation ein: „Die DemonstrantInnen wurden zum Teil aus nächster Nähe mit Pfefferspray besprüht. Wir zählten insgesamt 55 Behandlungen, davon 51 Verletzte durch Pfefferspray, 2 chirurgische Verletzungen und 2 internistische Versorgungen. Das Dunkelfeld könnte bei der unübersichtlichen Situation allerdings deutlich höher liegen.“

Im Anschluss fand trotz des Polizeieinsatzes in der Böblingerstraße erneut eine Hausbesetzung statt, die bis zur Stunde anhält.


Pfefferspray: Kleine Anfrage im Bundestag

Anfang September war einer unserer Vorstände zum Interview bei der Kontext Wochenzeitung zum Thema Pefferspray (https://www.kontextwochenzeitung.de/politik/388/toedliche-feldversuche-5321.html). Nun hat die Politik das Thema aufgegriffen. Eine kleine Anfrage der Fraktion die LINKE im Bundestag bemüht sich nun um Aufklärung der Hintergründe für den teilweise massiven Einsatz von Pfefferspray durch die Polizei. Wir sind gespannt auf die Antwort der Bundesregierung zu diesem brisanten Thema.

Hier die Anfrage komplett:
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/046/1904628.pdf


Pfefferspray: Zusammenfassung

Pfefferspray ist unsere häufigste Behandlungsindikation bei Sanitätsdiensten auf Versammlungen. Der Wirkstoff Oeoresion Capsicum (OC) stetzt an Verbrennungsschmerz und Wärme vermittelnden Nervenfasern an. Durch ihn kommt es also nicht wirklich zu einer direkten Gewebeschädigung, sondern diese wird praktisch dem Körper vorgegaukelt. Die Hauptwirkung lässt nach 30 bis 45min (individuell sehr verschieden) dadurch nach, dass die Schmerzmediatoren (Substanz P) aufgebracht sind, die von den betroffenen Nervenfasern ausgeschüttet werden.

Pfefferspray ist nicht nach dem Waffengesetz zugelassen. Deshalb wird es auch im normalen Handel als „Tierabwehrspray“ gekennzeichnet. Die Benutzung gegen Menschen durch die Polizei erfolgt auf Grundlage von Ausnahmegenehmigungen. Dabei sind die Hürden für den Einsatz relativ gering.

Die Studienlage zum Thema Pfefferspray ist sehr dünn. Es besteht wohl auch kein sonderliches Interesse von Staat und Wirtschaft an der Erforschung von schwerwiegenden Nebenwirkungen. Bekannt ist allerdings, dass es im Zusammenspiel mit Kokain, ggf. auch mit weiteren aufputschenden Drogen und Psychopharmaka, zu tötlichen Komplikationen kommen kann.

Auch wenn oft nach dem Wunderheilmittel gesucht wird und immer wieder diverse Dinge angepriese werden. Es gibt es nicht! Wichtig ist vor allem, trotz Schmerz die Ruhe zu bewahren, wenn man selbst betroffen ist bzw. Betroffene zu beruhigen und an einen sichereren Ort zu geleiten. Basismaßnahme ist dann das Spülen mit Leitungs- oder Salzwasser (bis 2% Kochsalz ohne Jod). Dafür eigent sich am Besten eine pneumatische Augenspülflasche (nach oben spritzen, statt ausleeren), die es erlaubt den/die PatientIn stehend in gebückter Haltung zu spülen, ohne dass das kontaminierte Wasser über nicht betroffene Körperteile und Kleidung läuft. Diese Maßnahme kühlt vor allem und lindert den Schmerz, kann den Wirkstoff aber kaum entfernen. Theoretisch ermöglicht die verwendung hypertoner Kochsalzlösung beim Spülen durch den osmotischen Druck, dass der Wirkstoff in geringen Mengen aus der Haut gezogen werden kann. Wie groß dieser Effekt allerdings wirklich ist, ist kaum nachzuvollziehen.

Sollte die betroffene Person weitere Symptome, wie Atemnot oder einen Krampfanfall zeigen, so solltet ihr unbedingt professionelle Hilfe hinzu ziehen: 112 (Öffentlicher Rettungsdienst) und uns Demosanitäter! Immer wieder kommt es durch Pfefferspray zu schwerwiegenden Komplikationen, wie epileptischen Anfällen oder Asthmaanfällen.

CS-Gas wird im Gegensatz zu Pfefferspray heutzutage kaum noch in kleineren Sprühbehältern eingesetzt. Hier wurde es durch das Pfefferspray weitgehend verdrängt. Es wird aber weiterhin Wasserwerfern beigemischt und kommt in Gasgranaten zum Einsatz. Dabei handelt es sich streng genommen nicht um ein Gas, sondern eher um einen flüchtigen Feststoff, der sich wie Rauch verteilt. CS-Gaswirkt vor allem an feuchten Körperpartien. Dazu gehören vor allem Schleimhäute, Augen und schweißbedeckte Stellen. Daher sollte auch bei der Behandlung versucht werden nur dort zu spülen, wo es wirklich brennt und keine weiteren Stellen feucht zu machen. Hier muss also von der gewohnten Behandlungsweise abgewichen werden, die sich durch Pfefferspray eingebürgert hat.

CN-Gas, das klassische Tänengas, kommt heutzutage kaum noch zur Anwendung, verhält sich im Wesentlichen aber ähnlich wie CS-Gas. Es weist aber ein schlechteres Nebenwirkungsprofil auf.

(Quelle Symbolbild: Die Beobachter)


Pfefferspray

Pfefferspray ist die häufigste behandlungsbedürftige Verletzung auf Demonstrationen. Sie macht einen Großteil unserer Patientenzahlen aus. Auf unserem Twitteraccount haben wir aktuell 2 Umfragen zu dem Thema laufen. Außerdem gibts kurz zusammengefasst einige Infos zum Thema und ihr erfahrt auch, was hilft, wenn ihr oder jemand in eurer Nähe betroffen ist:

Ergänzung, Umfrage zu Tränengas:

(Quelle Symbolbild: Beobachter News)


Resumé – Sanitätsdienst der Gegenproteste zum AfD Bundesparteitag 30.04.2016

Der Einsatz bei den Gegenprotesten gegen den AfD Bundesprogrammparteitag ist nun vorbei! Insgesamt hatten wir 61 Patienten zu versorgen, hauptsächlich durch Pfefferspray. Zwei Patienten wurden an den öffentlichen Rettungsdienst übergeben, mit dem die Zusammenarbeit reibungslos verlief. Wir bedanken uns bei den auswertigen
Teams, die aus dem ganzen Bundesgebiet angereist waren, für die tolle Unterstützung.

Morgen steht bei der revolutionären 1.Mai Demo der nächste Einsatz an. Anschließend feiern wir gemeinsam mit vielen anderen den 1.Mai beim Straßenfest am Linken Zentrum Lilo Herrmann. Wir werden dort vegane Crêpes und Waffeln verkaufen.